Welsh Black Bulle

Merlin; Welsh Black Zuchtbulle, Partner, Freund, Lehrender

Ich hatte kurz nach Beendigung meiner VPO-Ausbildung das Glück, dass mich die Frau eines Rinderzüchters fragte, ob ich mich auch an Rinder trauen würde, und ob ich ihren Merlin behandeln könnte. Sie kannte die osteopathische Arbeit von ihren Hunden und nun hatte ihr Merlin Probleme sich gegen die Jungbullen durch zu setzten. Die Jungbullen hatten ihn nun schon einige Male regelrecht verprügelt. Merlin war sonst immer ein guter Bulle gewesen der die Jungbullen erziehen konnte, so dass alle friedlich heranwachsen konnten. Merlin war schon vor längerer Zeit als Zuchtbulle in Rente gegangen, sollte aber bei der Familie bleiben. Er war ein erfolgreicher Bulle und ein noch besserer Freund und Partner.

Kurzentschlossen sagte ich zu. Kurz vor Abfahrt zog ich mir schnell noch meine Stahlkappenschuhe an, man weiß ja nie. Das war gut, denn der Züchter selbst, hatte nur gehört, dass da jetzt eine Pferdeosteopathin kommt, und war sehr skeptisch ob da nun ein fröhliches „Pferdemädchen“ auf seinen Hof gehopst kommt. Er war zufrieden als er meine Ausrüstung sah, das war der Türöffner.

Wir fuhren mit einem Eimer Schrot und einer großen Bürste zur Weide ins Moor, mir war immer noch nicht klar worauf ich mich eigentlich eingelassen hatte. Ich wusste nur, der Bulle belastet sein linkes Vorderbein nicht und hinten tritt er auch kürzer.

Am Weidetor angekommen, begegnete ich Merlin zum ersten Mal, und ich werde nicht vergessen, wie unsere Kommunikation sofort auf jeder Ebene stattfand. Er drehte nur seinen Kopf und schaute mich aus der Ferne an. Seine Kraft, sein Stolz und seine Erhabenheit, und dabei seine Gutmütigkeit, Intelligenz wurde sofort sichtbar. Irgendwo unter all dem Schmerz, den er erlitt, war es klar zu sehen, dieser Bulle regiert unaufgeregt und kraftvoll mit dem Blick, mit einem Ohrenzucken, mit klarer Positionierung. Das kleine Pferdemädchen in mir bekam großen Respekt. Die Osteopathin in mir war an, und zwar sämtliche Antennen waren an, wie elektrisiert, äußerlich versuchte ich natürlich souverän zu bleiben. An so einem Tier arbeitet man präzise, passt gut auf seinen Körper auf, setzt wenn nötig nur einzelne Impulse, und bleibt präsent, aber unaufgeregt. Über die folgen was wäre, wenn…, denkt man besser nicht nach.

Merlin wurde von seinen Besitzern liebevoll gebürstet, er durfte Schrot fressen und war sichtlich dankbar für so viel Aufmerksamkeit. Die Behandlung war auf allen Ebenen sehr aufwühlend und sehr berührend. Wenn sich so ein schweres Tier unter der Behandlung irgendwann wieder zu seiner ganzen Größe aufrichtet, ist das ein gewaltiger Moment.

Und tatsächlich, die Aufrichtung blieb, noch am selben Abend lief Merlin wieder deutlich klarer und konnte seine Klaue wieder belasten. In den folgenden Tagen kam er in seine alte Größe zurück.

Als ich meinem Vater einige Zeit später davon erzählte, sagte er nur, das klingt, als wäre dieser Bulle dein Meisterstück. Ja, es fühlt sich jedenfalls nach einer meisterhaften Begegnung an.

Ich bin dankbar, dass ich dieses besondere Tier kennen lernen durfte. Bis heute rufe ich mir vor Behandlungen Merlin ins Gedächtnis. Er hat mich gelehrt in dem Moment zu sein, präsent, klar, unaufgeregt. Sich der Kraft des Gegenübers wohl bewusst zu sein. Wenn man dann sein Herz aufmacht und loslegt, dann ist eine Behandlung ein wunderbares Zusammenspiel.

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